Passionszeit 2020 - abgesagt wegen der Corona-Pandemie?

Die Corona-Pandemie bestimmt aktuell unsere Gedanken, Gespräche und die Berichterstattung in den Medien. Doch hast du auch mitbekommen, dass wir aktuell die Passionszeit erleben? Ein Brief soll hierzu einige Impulse geben:

Hallo Du!

Geht es dir auch so wie mir? Über viele Jahre schon gedenken wir in der Passionszeit des Leidens Jesu Christi, mündend in einem freudigen Osterfest der Auferstehung. Über viele Jahre schon habe ich mir immer wieder, Jahr für Jahr vorgenommen, diese Zeit bewusster zu erleben. Vielleicht einmal zu fasten, so wie es viele Christen weltweit tun. Der Unterhaltungsindustrie ein ganzes Stück weniger Aufmerksamkeit zu schenken und dafür mehr auf Jesus zu blicken. Aber das Hamsterrad aus Terminen, Anforderungen und Verpflichtungen wollte Jahr für Jahr einfach nicht langsamer werden. Eine Pause, gar ein Aussteigen war nicht möglich. Ich wurde förmlich durch die Zeit getrieben.

Und jetzt, mitten hinein in die Passionszeit, wird dieses Hamsterrad durch COVID-19 (Coronavirus SARS-CoV-2) ausgebremst. Alle geplanten und aufgedrückten Termine – abgesagt. Veranstaltungen und Events – abgesagt. Restaurants, Bars, selbst der Imbiss um die Ecke – geschlossen. Einkaufscentren, Möbelhäuser usw. – geschlossen. All das, was mich in der Passionszeit sonst erdrückte, ablenkte oder gar gefangen nahm – ausgebremst.

Und nun? Ich kann mich entscheiden. Lasse ich mich in der diesjährigen Passionszeit von den Nachrichten, Ängsten und Diskussionen rund um COVID-19 bestimmen? Lasse ich mich wieder gefangen nehmen? Oder nutze ich den Stillstand, die erzwungene Entsagung von allem Termindruck sowie aller Ablenkung und wende mich in diesem Jahr wirklich mal Jesus und seinem Leiden zu? Faste und entsage ich (erzwungenermaßen) so manchen Freuden und liebgewonnen Gelüsten des Alltags? Mal keine Restaurantbesuche, mal keine Shoppingausflüge, mal keine Partys, mal keine Ausflüge in Spaßbäder, Jumphäuser und sonstige Eventlokalitäten?

Klar, Isolation fällt schwer. Wie gern würde ich mich mit der Familie, mit Freunden, mit Kollegen, mit Brüdern und Schwestern treffen, austauschen, feiern, in den Arm nehmen? Aber war es nicht gerade Jesus, der in seinen Abschiedsmomenten auch völlig allein war? Selbst seine engsten Vertrauten, die er in diesen Augenblicken gern bei sich gehabt hatte, sie waren nicht bei ihm. Sie sind eingeschlafen. Sie sind weggerannt. Sie haben ihn verleugnet. Auch Jesus wurde erdrückt von der Einsamkeit. Am Kreuz fühlte er sich dann sogar von Gott, seinem Vater, verlassen. Allein war er in den schwersten Stunden seines Lebens. Vielleicht gibt uns die Isolation, ja hier und da auch die Einsamkeit die Möglichkeit des Nachempfindens. Verbinde dich doch mal genau in diesen Momenten mit Jesus und du erlebst bewusst einige Momente der Passion Jesu.

Wie viele Menschen sind derzeit getrieben von der Angst um die Gesundheit, ja sogar ihr Leben? Wir leben wieder bewusster, wir genießen jeden Tag der Gesundheit. Wie selbstverständlich sie doch für viele von uns geworden ist. Und dann kommt COVID-19 und die Angst vor dem Tod wird gegenwärtig, hält Einzug in den Alltag. Es werden Vorkehrungen, Präventivmaßnahmen ergriffen. Aus Angst vor Krankheit und Tod. Wie war es bei Jesus? Er wusste von Anfang an, dass er zum Sterben bestimmt war. Er hatte als Mensch wie du und ich Angst vor dem Tod. Er schaute sorgenvoll in die Zukunft. Aber es belebte ihn auch die Hoffnung und sein Vertrauen in Gott, seinen Vater. Vielleicht sind wir in dieser Passionszeit ein Stück näher dran an Jesu Gefühlen, Sorgen und Ängsten? Lassen wir es zu und begleiten seinen Leidensweg. Aber auch wir wollen in Momenten der Angst und Sorge vertrauensvoll auf Gott blicken.

Jesus zog sich in der Passionszeit vermehrt zurück, suchte die Gemeinschaft mit Gott. Wie er betete, wie er mit IHM rang. Auch das lasst uns zum Bestandteil unserer Passionszeit machen. Lasst uns vermehrt beten und ringen. Nicht nur für uns, sondern für die vielen Menschen da draußen, die keinen Anker haben, die von der Angst und Sorge getrieben sind.

Noch ein letzter Gedanke: In die Passionszeit hinein stiftete Jesus das Heilige Abendmahl im Kreis seiner Jünger: „Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Das ist mein Blut des neuen Bundes, vergossen für viele zur Vergebung der Sünden“. In jedem erlebten Gottesdienst durften wir bislang Heiliges Abendmahl in der Gemeinschaft feiern, es war Bestandteil der Liturgie. War es vielleicht auch ein Stück Gewohnheit? Jetzt, da keine Gottesdienste und Versammlungen stattfinden, selbst in den via Internet und Telefon angebotenen Gottesdienstübertragungen, kann das Sakrament des Heiligen Abendmahls nicht gefeiert und empfangen werden. Und genau in diese Situation hinein merke ich, wie es mir fehlt und wie ich mich danach sehne. Passionszeit ist auch ein Besinnen auf den hohen Stellenwert des Opfertodes Jesu Christi sowie seines Sieges über das Böse und den Tod. In dieser Zeit ist mir das Sakrament des Heiligen Abendmahls wieder ganz groß geworden, die Sehnsucht auf die nächste Abendmahlsfeier unter Christen und mit Jesus in der Mitte wächst von Tag zu Tag. Auch das ist in dieser Passionszeit außergewöhnlich.

So lasst uns diese – im Vergleich zu sonst andere – Passionszeit einmal nutzen, um uns bewusster mit Jesus, seinem Leiden und seinem Opfertod zu beschäftigen. Dann kann uns auch diese Zeit zum Segen werden.